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Schnell, ein Aquarell!

(cai) E = mc 2 . Das ist natürlich nicht von mir, sondern vom Einstein. Okay, oft kann man dieses Bonmot ja nicht in ein Gespräch einstreuen. ("Tja, Karli, E is hoid mc 2 . Und Blaukraut bleibt Blaukraut. Oder wie da Franzos’ sagt: C’est la vie.") Und von wem stammt "AAADDEEEEFIIILLLLLRSSSSTTTWW"? Das ist nicht vom Ein-, aber immerhin vom Wittgen stein. "Die Welt ist alles, was der Fall ist", übersetzt ins Zwangsneurotische. Nach Buchstaben sortiert. Wer tut denn so was Abartiges? Der Heinz Baumüller.

Der ist sehr ordentlich. Und er mag Buchstaben. Drum verfasst er Ein-Satz-Prosa (zwischen banaler Blödelei und geistreichem Manifest): "Hilf dir selbst, sonst hilft dir Gott" (klingt ja wie eine Drohung). Oder: "Die Würde des Menschen ist Konjunktiv." (Seine spezielle Konjunktivitätstheorie?) Und was ist mit den blassgelben Papierstreifchen? Sicher ein Strichcode. Nein, kein Code. Im Gegenteil: Urin! Es handelt sich nämlich um eine Sammlung von Teststreifen. Sechs Monate hat Baumüller täglich diese "Aquarelle" ge-. . . äh .. . -macht. Aber ein Tag fehlt.

Hat er am 19. August 1995 womöglich – nix getrunken? Das ist trotzdem nicht das größte Mysterium in der Schau, die uns in die komplexe anarchische Welt seines herrlich abgründigen Humors einführt. Das wahre Rätsel ist ... nein, nicht das Kanalgitter, das als Fernseher verkleidet ist ("1-Kanal-TV"). Das versteh’ ich: Das Programm ist ein Sch...! Ich hab die Säge gemeint, die sich zwischen zwei Sockeln biegt wie das Lächeln zwischen den Wangerln der Mona Lisa. Warum grinst die Säge bloß so verschmitzt? Die "Sockel" sind jedenfalls die Restln der Skulptur "Tunnel", von der die Kritiker zwar total begeistert waren, doch weil ein Einziger (Joseph Beuys) skeptisch war, hat der Heinz B. das Opus gemeinsam mit besagtem Joseph B., ritzeratze, zersägt. Ja, E ist eben mc 2 .

Claudia Aigner, Wiener Zeitung (print), Ausgabe von Mittwoch, 4.11.2009

Express über Heinz Baumüller "Lapidar": Brillant, Herr Baumüller!

Düsseldorf - Manche Kunstausstellungen können schwer aufs Gemüt schlagen. Schnickschnack-Pathos. Lähmend. Man weiß nicht, was der Künstler eigentlich sagen will. Lässt sich aber besser nichts anmerken. Schweigt. Betreten. Nicht so bei der aktuellen Ausstellung "Lapidar" von Heinz Baumüller auf der Raketenstation Hombroich. 42 Meter lang, 2,4 Meter schmal. An den Wänden über 120 Blätter (DIN A2) mit knapp gehaltenen Worten.
Eigentlich ist der gebürtige Österreicher und Beuys-Vertraute Bildhauer. Hier hat er seine Gedanken etwa über Gott ("Hilf dir selbst, sonst hilft dir Gott"), Kunst ("Mit Gaby Henkel bin ich PER SIL") und die Welt ("Cash wär fesch") nicht in Stein gehauen, sondern auf Papier gebracht. Pur. Sprachkunst, die beim Betrachter Romane im Kopf auslöst. Aber vor allem für eins sorgt: herzhafte Lacher und ein angenehm beglückendes Gefühl. Das kann man nicht von jeder Ausstellung sagen.

Arno Gehring, 20. 1. 09

Die Neuß-Grevenbroicher Zeitung über Heinz Baumüller "Lapidar":
Der Satzmacher

Hombroich - Mit Tunnels hat er's. Und mit Worten. Was Wunder also, dass Heinz Baumüller für die Ausstellung in dem schlauchartigen Raum des Field Institute auf der Raketenstation nicht auf seine bildhauerischen Arbeiten zurückgriff, sondern den Ort zu einem der Wortspielerei machte. Denn eben diese liebt der Künstler fast so sehr wie das Lesen aller Art von Literatur. Über 1000 sinnige Sätze, die in vielen Fällen als Aphorismus zu bezeichnen mehr als gerechtfertigt ist, hat er seit 1972 erdacht und aufgeschrieben - 127 davon präsentiert er auf der Raketenstation fast in Form einer Installation.
Schnurgerade hängen die Blätter an den knapp 50 Meter langen Wänden. In immer exakt dem gleichen Abstand voneinander und mit Mehrzweckklammern als Scharniere zwischen den Schnüren der Bilderleiste und den weißen Blatt Papier mit den großen Buchstaben. "Lapidar" hat der 58-Jährige seine Schau benannt und freut sich immer noch über den Einfall. Schließlich bedeutet das Wort zweierlei: "einfach" oder auch "kurz und bündig" und außerdem "in Stein gehauen", so wie seine Sätze eben auch wirken.
Da nimmt er feste Begriffe auseinander und verleiht ihnen eine neue Bedeutung, macht etwa aus "Herzlich willkommen" ein "Herzl ich will kommen", erfindet neue wie "Dummfärberei", kreiert intelligenten Unsinn wie "Mit Gaby Henkel bin ich Per Sil" oder erinnert mit einem Satz wie "Bis dato sehe ich keine Zukunft" an sinnfreie Politikersprache. Aber in Heinz Baumüller steckt auch ein Philosoph. "Die Würde des Menschen ist Konjunktiv", sagt er etwa, oder "Je weiter man sich von Gott entfernt, umso näher kommt man ihm".
Die Sätze fallen ihm nebenbei ein, erzählt der gebürtige Österreicher, der auch als Düsseldorfer den charmanten Akzent der Heimat nicht abgelegt hat, "ganz oft nachts". Und begeistern ihn immer wieder, obwohl er sie doch schon so lange kennt. Weiß er überhaupt noch alle, die er aufgeschrieben hat? "Irgendwo sind sie in meinem Kopf", sagt er lachend, "aber trotzdem bin ich manchmal erstaunt, wenn ich auf den einen oder anderen stoße". Und er liebt sie alle, findet immer wieder einen anderen Spruch, der in die Katgeorie "persönlicher Liebling" gehört und strahlt übers ganze Gesicht, wenn auch der Besuch fasziniert an den Worten hängen bleibt. Damit sind wir auch schon beim Problem dieser Ausstellung: Man mag nicht aufhören zu lesen, möchte immer mehr... Der Tunnel ist einfach zu kurz.

Helga Bittner, 20. 12. 08